Ein Schüler-Interview

Ein Interview rechtzeitig zu Weihnachten noch. Weil es ein paar Fragen enthält, die uns so noch niht gestellt wurden – und  weil ich versprochen habe, es auch zu veröffentlichen.

Die Fragen stammen von 6. und 7.-Klässlern, die Autoren- und Rezensentenkollege Markus Korb im Kreativen Schreiben betreut, und es hat wirklich Spaß gemacht, sie zu beantworten. Vielen Dank nochmals für die tollen Fragen.  Ich hoffe, die Antworten haben irgendwem etwas gebracht. 😉

Frohe Feiertage,
Tom

1. Wie bist du auf die Idee gekommen, Bücher zu schreiben?

Ich habe schon immer irgendwas geschrieben. Einfach so. Die älteste Geschichte, die ich noch habe, ist aus der 5. Klasse und handelt davon, wie mein Cousin und ich einen Pavian durch unser Wohnzimmer jagen. Das war natürlich nur erfunden und für einen Erwachsenen nicht besonders gut. Aber für jemanden in der 5. Klasse gar nicht schlecht. Mein erstes Buch war eine Geschichte mit Raumschiffen und einem selbstgemalten Umschlag. Es war immer noch nicht gut, aber besser als die Sache mit dem Affen. Irgendwann kam eine Geschichte, die etwa 800 Seiten lang war. Auch die ist immer noch nicht so gut, dass sie irgendjemand lesen muss. Aber gut genug, um die nächste anzufangen. Und plötzlich war dann irgendwann eine Geschichte da, die auch Leute mochten, die nicht nett zu mir sein müssen (wie meine Eltern oder meine Freunde). Ungefähr da dachte ich: Vielleicht bin ich jetzt gut genug, um ein Buch zu schreiben. Da war ich etwas älter als 25.

2. Wie lange braucht man, um ein Buch zu schreiben?

Das ist unterschiedlich. Es gibt ein Buch, das erst nach etwa 6 Jahren Arbeit fertig war. Das habe ich ganz allein geschrieben und niemand wollte es lesen. Das erste Buch, das ich mit meinem Bruder zusammen geschrieben habe, hat etwa drei Jahre gebraucht. Das wollten zwar einige lesen, aber niemand kaufen. Das erste ganze Buch, das es von uns zu kaufen gibt, haben wir in 5 Monaten geschrieben. Und das kaufen noch immer Leute. Es ist also ganz unterschiedlich, wie lang es dauert – und das ist auch in Ordnung so. Manche Autoren schreiben jedes Jahr zwei Bücher, andere lassen sich 10 Jahre Zeit für eines. Das heißt nicht, dass das schnell geschriebene schlechter ist. Es bedeutet auch nicht, dass das langsam geschriebene besser ist. Jedes Buch braucht seine Zeit.

 

3. Ist zuerst die Idee für die Geschichte oder der Titel da?

Zuerst die Idee. Auf jeden Fall.

Es geht vielleicht auch anders, indem man einen besonders tollen Titel nimmt und ein Buch darum herum schreibt – aber seien wir ehrlich: Dann ist die Idee schon mit dem Titel da. Normalerweise schreiben wir (und viele andere auch) erst das Buch. Während der Arbeit an der Geschichte hat sie irgendeinen Titel, einen sogenannten Arbeitstitel. Der ist aber noch nie der Titel geworden, der am Ende auf dem Buch oder über der Geschichte stand. Manchmal fällt uns der passende Titel während des Schreibens ein – aber eigentlich sitzen wir fast jedes Mal am Ende da und überlegen, wie das Buch oder die Geschichte jetzt eigentlich heißen soll. Und manchmal fällt uns ehrlich gesagt auch dann kein guter ein. Beim Titel-Erfinden sind wir wohl nicht so gut. Das findet wohl auch unser Verlag, denn sie haben noch nie einen Titel genommen, den wir vorgeschlagen haben, sondern sich immer selbst einen ausgedacht. 😉

 

4. Wenn du schreibst und gerade an einer traurigen Stelle bist, bist du dann selber etwas traurig?

Ja. Meistens. Das gehört aber dazu. Immerhin mag ich die Personen, über die ich schreibe. Na, die meisten davon zumindest. Und es ist nun mal traurig, wenn jemandem, den man mag, etwas trauriges passiert. Auch dann, wenn es notwendig ist, um die Geschichte zu erzählen. Das klingt ein wenig gemein (und manchmal glaube ich, dass es das auch ist), aber traurige Dinge gehören nun mal zum Leben – schon, weil man sonst gar nicht wüsste, was das Gegenteil ist, nämlich schöne, glückliche dinge. Und die sollen ja auch passieren. Aber ich verrate euch was: Manchmal sind mir traurige Dinge in meiner Geschichte ZU traurig. Und dann ändere ich die Geschichte einfach und mache sie weniger traurig. Da ist es mit Geschichten einfacher als im richtigen Leben.

5. Hat man auch manchmal Tage, an denen einem überhaupt nichts einfällt?

Klar. Die gibt es.
Das sind dann Tage, an denen ich das Schreiben sein lasse, und an die frische Luft gehe. Wandern, Sport machen, mit meinen Kindern spielen. Oder ich sehe mir einen Film an. Meistens aber lese ich dann ein Buch. Bücher lesen hilft so gut wie immer. Ein schlauer Mensch (dessen Namen ich vergessen habe, aber es war sicher ein Autor) hat gesagt: Um ein Buch zu schreiben, muss man 100 gelesen haben. Vielleicht reichen auch 80 oder 90, aber es stimmt – wer viel liest, kann einfacher schreiben.
Und wenn mir gar nichts mehr einfällt, habe ich ja noch einen einfachen Trick, da ich meine Geschichten zusammen mit meinem Bruder schreibe: Ich rufe ihn (meinen Bruder) an. Dann reden wir über die Geschichte, und spätestens nach einer Stunde muss ich unbedingt schreiben, weil dann plötzlich so viele Ideen da sind, dass ich sie gar nicht so schnell aufschreiben kann. anders herum macht er es genauso. Viele Autoren haben einen guten Freund, mit dem sie zusammen an den Geschichten arbeiten. Es ist nicht nur einfacher -es macht auch wesentlich mehr Spaß.

6. Wie fühlt es sich an berühmt zu sein und sein eigenes Werk in der Hand zu halten?

Keine Ahnung. Das müsst ihr jemanden fragen, der berühmt ist.
Aber das Gefühl lässt sich leicht beschreiben. Stellt euch vor, ihr habt ganz lange auf eine Klassenarbeit hin gelernt und viel gearbeitet. Dann schreibt ihr die Probe und wisst nicht, ob das, was ihr geschrieben habt, gut und richtig ist und seid richtig gespannt, ob ihr bestanden habt, oder ob es doch eine schlechte Note gibt. Und dann bekommt ihr das Ergebnis und es ist besser, als ihr gehofft habt. Vielleicht sogar die beste Arbeit der ganzen Klasse.
Genau so fühlt es sich an, sein Buch endlich in der Hand zu halten.
Und beim nächsten Buch fängt das genauso wieder von vorn an.

 

7. Was für Geschichten schreibst du am liebsten?

Am liebsten schreibe ich Fantasy. Ab und zu habe ich auch Lust auf andere, Krimis zum Beispiel, etwas Historisches oder eine mal Kindergeschichte, aber meist mag ich phantastische Geschichten, in denen ich einfach alles komplett erfinden kann – die ganze Welt, neue Kreaturen, Sprachen, Völker.
Und ich schreibe am liebsten Geschichten, in denen nicht große Helden die Hauptrolle spielen, sondern ganz normale Leute, wie du und ich. Leute, die auch mal schwach sind, die Angst haben können, die auch mal etwas nicht können oder denen etwas schief geht. Das sind viel interessantere Figuren. Über Helden und Alleskönner kann jeder schreiben, aber ich finde sie langweilig. Wenn Leute, die eben nicht alles können, am Ende der Geschichte gewinnen, finde ich das viel spannender.

 

8. Wie kriegen Sie Ihre Ideen für Ihre Bücher?

Ideen kommen von überall her. Manche Sachen sind uns eingefallen, als wir Bücher anderer Autoren gelesen haben. Das sind oft dinge, bei denen man beim Lesen sagt: „Mensch, das hätte ich aber anders gemacht“, oder „Schade, dass die Geschichte nicht davon (also von der Idee) handelt. Dann wäre sie vielleicht noch besser“. Andere Ideen kommen, wenn man einen Film sieht, oder bei einer Sache, die man im Internet liest oder in den Nachrichten sieht. Wieder andere, wenn jemand von einem Erlebnis aus dem Urlaub erzählt oder von etwas, was man selbst erlebt hat – und wenn es eine Begegnung im Bus ist. Sogar aus etwas, was ich geträumt habe, habe ich schon Ideen für etwas bekommen, das dann in einer Szene einer Geschichte passiert ist.
Geschichtenideen können schlicht von überall her kommen. Außer vielleicht davon, herumzusitzen und nichts zu tun. Je mehr man liest, sieht und erlebt, desto einfacher kommen die Ideen.

 

9. Wie schreibt man eine richtig spannende Geschichte?

Das ist eine ziemlich schwer zu beantwortende Frage.
Es gibt verschiedene Schreibtechniken und Tricks, die man erlernen kann. Ich gebe euch mal drei davon. Wenn man das beachtet, ist man schon auf einem guten Weg.

Der erste ist: man versucht, alles wegzulassen, was für die Geschichte nicht nötig ist. Ist es nötig, die Farbe der Vorhänge in einem Zimmer zu beschreiben? Nein? Weg damit. Ist es wichtig, dass man weiß, dass die Hauptperson meiner Geschichte aufs Klo geht? Nein? Weg. sind die Leute auf der Straße interessant für die Geschichte? Nein? Dann erzählt man auch nichts über sie. Sind die Art und Farbe der Schuhe der Hauptfigur irgendwie wichtig für die Geschichte? Nein? Dann erwähnt man sie nicht.
Dazu gehört auch: lasst die langweiligen Dinge, die vor der Geschichte oder nach der Geschichte passieren gleich beim Schreiben weg. Selbst wenn ihr etwas völlig Normales erzählen wollt, dann geht das trotzdem auf zwei Arten: Langweilig – oder nicht.

Zum Beispiel, wie ein Mann sich auf einen Stuhl setzt und damit zusammenbricht: Erzählt eben nicht, wie er die Treppe hinaufgeht, die Tür aufmacht, in das Zimmer kommt, das Licht anmacht, sich den Stuhl aussucht, sich hinsetzt, wie der Stuhl zusammenbricht, er auf den Boden fällt, Schmerzen hat, schimpft, mühsam aufsteht, das Licht ausmacht, aus dem Zimmer geht, die Tür schließt und die Treppe hinunter humpelt.
Wenn ich das jetzt gerade noch mal lese, muss ich selbst gähnen.

Erzählt stattdessen, wie er sich den Stuhl nimmt, sich setzt, damit zusammenbricht, auf den Boden kracht und wie ihn der Schmerz durchfährt. Fertig.
Vielleicht noch, wie er flucht, aber das könnte schon zuviel sein (wenn es nicht gerade lustig ist).
Das ist interessant und damit spannend. Der ganze Rest nicht.

Einen weiteren Trick habe ich von einem anderen Autoren gelernt: „Immer, wenn es gerade langweilig in einer Geschichte zu werden droht, sollte jemand kommen und die Tür eintreten.“ Natürlich nicht (immer) wörtlich gemeint – es bedeutet, dass man sich als Autor immer wieder mal eine unerwartete Wendung einfallen lassen soll. Dann ist der Leser wieder wach und gespannt.

Und der dritte, vielleicht wichtigste: Man muss viel lesen und viel schreiben. Jedes gelesene Buch zeigt einem, wie es aussehen muss, damit es spannend ist. Oder bei langweiligen Büchern: wie es nicht aussehen darf, wenn es spannend sein soll. Und jeder geschriebene Text ist ein kleines Bisschen besser als der davor. die ersten 20 Geschichten sind vielleicht noch nicht spannend. Aber dann wird es irgendwann besser. Man darf nur nicht vorher aufgeben. Das ist alles.